DFB-Gründung: Als die Taschenrechner glühten
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< <14. Oktober 2020>>Jens R. Prüß
Eine mäßig originelle Überschrift, stimmt, aber hätte diese nützliche Erfindung doch nur schon zur Verfügung gestanden, als 1900 der Deutsche Fußball-Bund entstand!
86 Vereine waren beim „1. allgemeinen deutschen Fußballtag“ anwesend bzw. vertreten; mit 64 gegen 22 stimmten sie für die sofortige Gründung des Bundes, dem dann 60 von ihnen spontan beitraten. Darin stimmen die meisten Quellen überein. Aber welche Vereine waren das nun genau, und wer stimmte wofür? Aus aktuellem Anlass hier ein Klärungsversuch… Aber ich sehe gerade (14.10.20), dass er der Überarbeitung bedarf!
„Nach dem gegenwärtigen Wissensstand waren folgende Vereine vertreten“, heißt es (Stand: April 2009) bei Wikipedia unter:
https://de.wikipedia.org/wiki/Gründungsvereine_des_DFB
und es folgt die Auflistung (siehe unten). Rechts neben den Vereinsnamen stehen meine Anmerkungen dazu; „ja“ heißt: trat sofort bei; „später“ heißt: trat im Laufe der folgenden Monate bei; „nein“ heißt: trat dem DFB erst 1905 im Zusammenhang mit der Gründung des Norddeutschen Fußball-Verbandes bei. – Abkürzungen am Schluss!
- Altona 93 … ja, HAFB
- Eintracht Altona … ja, dito
- Ascherslebener SC … ja, Einzelverein
- Akademischer BC Berlin … später, VDB
- Akademischer SC Berlin … später, dito
- BFC Alemannia 90 … ja, DF&CB
- Berliner FC … ja, dito
- Britannia Berlin … später, VDB
- Burgund Berlin … später, dito
- Concordia Berlin … später, dito
- Deutschland Berlin … ja, Einzelverein
- Favorit 96 Berlin … später, Einzelverein
- Fortuna 94 Berlin … später, dito
- Frankfurt Berlin … ja, Einzelverein
- Friedenauer Sport-Excelsior Berlin … ja, dito
- FC Germania Berlin … ja (unter Vorbehalt), Einzelverein (Germania 88)
- Hertha BSC Berlin … ja, DF&CB (hieß damals Hertha 92)
- Kolumbia Berlin … ja, Einzelverein
- Komet Berlin … ja, dito
- Phönix Berlin … später, VDB
- BFC Preussen (Berlin) … ja, Einzelverein
- Rapide Berlin … später, VDB
- Stern Berlin … später, dito
- Tasmania Berlin … später, dito (damals Tasmania Rixdorf)
- Toskana Berlin … ja, Einzelverein
- Union 92 (Berlin) … später, VDB
- Viktoria Berlin … später, dito (Viktoria 89)
- Vorwärts Berlin … ja, DF&CB
- Bockenheimer FC … ja (unter Vorbehalt), Einzelverein
- Brunsviga Braunschweig … ja, Einzelverein
- Eintracht Braunschweig … ja, dito
- Germania Braunschweig … ja, dito
- Blitz Breslau … ja, dito
- Britannia Chemnitz … ja, dito
- Dresdner FC … ja, dito (Dresden 93)
- Dresdner SC … ja, dito
- SC Erfurt … ja, dito
- FC Frankfurt … ja (unter Vorbehalt), dito
- Frankfurter FC Germania … ja, VsFV
- Frankfurter FC Viktoria … ja (unter Vorbehalt), Einzelverein
- Freiburger FC … ja, Einzelverein (vgl. aber Anmerkung am Schluss)
- Hamburger FC 1888 … ja, HAFB
- SC Germania zu Hamburg … ja, dito
- FC Hammonia (Hamburg) … ja, dito
- FC St. Georg Hamburg … ja, dito (St.Georger FC, heute SV St.Georg)
- FC Victoria Hamburg … ja, ebenfalls HAFB
- Association FC (Hamburg) … m. E. falsch, siehe vielmehr 86.
- Hanauer FC … ja, VsFV (es handelt sich um Hanau 93)
- Viktoria Hanau … ja (unter Vorbehalt), Einzelverein
- Hanauer FG 99 … ja (unter Vorbehalt), dito
- Deutscher FV Hannover … ja, Einzelverein, spielte Rugby (!)
- Karlsruher FV … ja, VsFV
- Phönix Karlsruhe … später, Einzelverein
- Südstadt Karlsruhe … später, dito
- Leipziger BC … ja, VLBV (korrekt: Leipziger BC)
- Lipsia Leipzig … ja, VLBV
- Olympia Leipzig … ja, dito
- Sportbrüder Leipzig … ja, dito
- Wacker Leipzig … ja, dito (alle 5 traten jedoch als Einzelvereine auf)
- Mannheimer FG 1896 … ja, VsFV
- Viktoria Magdeburg … ja, Einzelverein
- FuCC Viktoria Magdeburg … ja, dito (Cricket-Viktoria)
- Mittweidaer BFC … ja, dito
- Germania Mühlhausen … ja, dito
- Bavaria München … ja, dito
- Münchner FC … ja, dito
- Nordstern München … ja, dito
- SC Naumburg … ja, dito
- VfB Pankow … ja, dito
- 1. FC Pforzheim … ja, VsFV
- Pforzheimer FC Frankonia … ja, dito
- DFC Prag … ja, Einzelverein
- DFC Germania Prag … ja, dito
- Straßburger FV … ja, VsFV
- Bremer SC … nein, VBFV
- SuS Bremen 1896 … nein, dito
- Germania Bremen … nein, dito
- Hansa Bremen … nein, dito
- Allgemeiner Bremer SC 1898 … nein, dito
- Simson Bremen … nein, dito
- Werder Bremen … nein, dito
- Viktoria Mannheim … nein, Mannheimer FB
- Union Mannheim … nein, dito
- Germania Mannheim … nein, dito
- Mannheimer FV … nein, dito (alle 4 traten als Einzelvereine auf)
- Sperber Hamburg … ja, HAFB (vermutlich an Stelle von Nr. 47) Nein, kann nicht stimmen!
Anmerkung: Die „Einzelvereine“ aus Berlin gehörten durchweg auch dem VDB an, hatten diesem jedoch nicht ihre Stimmen übertragen, sondern vertraten sich selbst und stimmten zum Teil gegen ihren Verband, der seinerseits dem DFB nicht sofort beitrat.
Tatsächlich wären dies also 86 Vereine, aber der Association FC aus Hamburg ist zweifelhaft, weil dieser Verein im Februar 1900 wahrscheinlich nicht mehr existierte. Als relativ neuer Vorschlag gilt der Hallesche FC 1896 (noch zu prüfen).
Abkürzungen:
DF&CB = Deutscher Fußball- und Cricket-Bund (Berlin)
HAFB = Hamburg-Altonaer Fußball-Bund
VDB (später VBB) = Verband Deutscher (Berliner) Ballspiel-Vereine
VLBV = Verband Leipziger Ballspiel-Vereine
VsFV = Verband süddeutscher Fußball-Vereine
VBFV = Verband Bremer Fußball-Vereine
Zur Gesamtrechnung:
„Sport im Wort“ zählt sieben Vereine des VsFV auf, wobei der Freiburger FC nicht erwähnt ist; tatsächlich war er als Einzelverein vertreten. Aus Magdeburg werden zwei Clubs erwähnt. Keine Zahlen nennt das Blatt für den HAFB (es waren 8), Bremen (7) und Mannheim (4 ohne das VsFV-Mitglied Mannheim 96). In der Summe sind es dann 86.
In den „Deutschen Sport-Nachrichten“ hat der VsFV acht Vereine, die nicht namentlich genannt werden; vermutlich ist der Freiburger FC dort mit- und dadurch doppelt gezählt. Auch Cricket-Viktoria Magdeburg erscheint zweimal, diese Stadt also mit drei Vereinen. Dafür sind Bremen auf sechs und Mannheim auf drei Clubs heruntergestuft, so dass sich auch hier die Summe 86 ergibt.
Eindeutig plausibler ist die Version von „Sport im Wort“. So oder so waren wohl tatsächlich 86 Vereine anwesend und das Abstimmungsergebnis lautete 64 zu 22 (wie es in den beiden Fachblättern auch richtig hieß).